News

Kämpferin auf und abseits der Matte

Isabell Thal hat es zur Nummer eins im Para-Judo geschafft

Sie ist auf Skiern bei der WM 2022 in Lillehammer die Piste runtergesaust, bei den Paralympics in Paris im Judo bis zum Bronzekampf vorgedrungen, Bochums Sportlerin des Jahres 2023 und gerade erstmals Deutsche Meisterin sowie Weltranglistenerste im Para-Judo geworden: Isabell Thal hat eine beeindruckende Vita vorzuweisen. Die 26-Jährige ist nicht nur auf der Matte eine Kämpferin – im Leben hatte sie es nicht leicht, denn ihre Sehkraft beträgt seit frühester Kindheit rund fünf Prozent. Davon hat sie sich jedoch nicht unterkriegen lassen und den Sport als Ventil genutzt. Jetzt hat sie ambitionierte Ziele.

Genetisch bedingt hat Thal nur knapp fünf Prozent Sehkraft und einen blinden Fleck in der Augenmitte. Lange Jahre wusste davon nur ein enger Kreis. „Ich wollte nicht, dass es jemand merkt. Damit habe ich mir das Leben aber nicht gerade einfach gemacht“, erinnert sie sich. Vom Sport hat sie sich dennoch nicht abhalten lassen. Mit fünf Jahren stand sie erstmals auf Skiern, mit acht Jahren auf der Judomatte. In beiden Sportarten war Thal talentiert, im Judo landete sie schnell im Bezirksteam. Dann aber kam es zu einer größeren Umbruchphase, in der sie vor allem mit sich selbst zu kämpfen hatte.

„Das hing auch damit zusammen, dass ich meine Sehbehinderung nicht akzeptieren und gleichzeitig nicht im Para-Sport landen wollte. Als ich älter geworden bin, habe ich gelernt es zu akzeptieren. Der Sport hat mir dabei geholfen, selbstbewusster zu werden“, erzählt Thal. Spätestens nachdem sie beim Abitur den Sport-Leistungskurs erfolgreich absolviert hatte, wurde ihr klar: „Du kannst alles schaffen.“ Aus der neuen Einstellung zog sie Stärke und ließ den Worten Taten folgen.

Im Para-Skisport, bei dem sie in den Disziplinen Slalom und Riesenslalom einem Guide hinterherfährt, hat sie es bis ins Nationalteam geschafft. Ihr größter Erfolg war der zehnte Platz bei der WM 2022 in Lillehammer in Norwegen. „Der Sport war mit viel Adrenalin und Nervenkitzel verbunden“, sagt Thal, die sich seit vergangenem Jahr ausschließlich auf Judo konzentriert, was den Leistungssport betrifft. Fast täglich trainiert sie und hat schon beachtliche Erfolge eingefahren.

Nach Silber bei ihren ersten Deutschen Meisterschaften 2023 holte sie in diesem Jahr den Titel im Para-Judo in der Gewichtsklasse bis 60 kg, obwohl sie eigentlich bis 52 kg startet. International feierte sie nicht zuletzt bei den Paralympics in Paris 2024 einen großen Auftritt, auch wenn in der Endabrechnung der undankbare fünfte Platz blieb. „Die Paralympics waren eine einzigartige Erfahrung“, verrät die Master-Studentin der Sportwissenschaften an der Ruhr-Universität, wo sie auch als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig ist. Zuletzt beim World Cup machte sie erneut auf sich aufmerksam, gewann Gold und Silber – und eroberte damit Platz eins der Weltrangliste. Als nächstes steht Mitte Mai die WM in Kasachstan an. Thal ist eine der aussichtsreichsten Medaillenkandidatinnen.

Beim Judo kann Thal einfach loslassen, die Einschränkung ihrer Sehkraft spielt bei dem Sport kaum eine Rolle. Deswegen ist sie beim DSC Wanne-Eickel zusätzlich auch im Damenteam in der Verbandsliga Westfalen aktiv und dort eine gefürchtete Gegnerin. „Beim Judo geht viel über das Gefühl. Die Herausforderung ist der Griffkampf am Anfang. Sobald der Griff sitzt, gibt es im Wettbewerb keinen Nachteil für mich“, berichtet Thal. Der Fokus liegt für sie aber mittlerweile klar beim Para-Sport. Ihr Traum ist die erneute Teilnahme an den Paralympics, 2028 in Los Angeles. „Nach Paris war ich über den fünften Platz enttäuscht, aber mittlerweile überwiegen der Stolz und die Motivation, es in dreieinhalb Jahren zu schaffen“, erzählt Thal. Auf dem Weg dahin wird sie sich nicht unterkriegen lassen, denn ihr Lebensweg zeigt: Mit ihrem unbändigen Willen kann sie alles schaffen.

Ähnliche Themen

  • Ersteller:

    Dateiname: