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Ein perfekter Fußballtag in Bochum

Wenn man als glühender Fan des VfL Bochum innerhalb weniger Stunden die Vereinsikone Josef „Jupp“ Kaczor kennenlernen sowie interviewen darf und der eigene Herzensverein ein Heimspiel gegen den großen FC Bayern München gewinnt, wacht man normalerweise auf und denkt über diesen verrückten Traum nach. Dass dieser Traum an einem verregneten Sonntag im Februar Wirklichkeit wurde, machte nicht nur den Stadionbesuch zu einem Fußballerlebnis mit Gänsehautmomenten.

Aber der Reihe nach! Der Heimspieltag beginnt heute schon dreieinhalb Stunden vor dem Anpfiff. Und an einem Ort, der auf den ersten Blick nicht direkt mit dem runden Leder in Verbindung gebracht wird. Aber auf den zweiten Blick oder besser gesagt im zweiten Obergeschoss schon. „Im Stadtarchiv – Bochumer Zentrum für Stadtgeschichte“ befindet sich derzeit - und noch bis zum 19. Mai - eine Ausstellung zum 175-jährigen Vereinsjubiläum des VfL. Aber dazu später mehr …

Ein bisschen nervös bin ich schon, schließlich treffe ich in wenigen Minuten auf „Jupp“ Kaczor. Der erste Gast in der geplanten Reihe „Dein Fußballwochenende in Bochum“. Rund um die VfL-Heimspiele soll es in Zukunft immer ein kulturelles Angebot geben, um sich wie in diesem Fall auf die Partien einzustimmen oder den Fußballabend ausklingen zu lassen. Als ich einst als kleiner Junge an der Hand meines Vaters die ersten Besuche des Ruhrstadions erlebt habe, hat er mir von den Fußballhelden seiner Kindheit berichtet. Es fielen Namen wie „Ata“ Lameck, „Jupp“ Tenhagen und eben der von Kaczor. Ich kriege Gänsehaut, als ich eine Viertelstunde später diese Geschichte den 60 Gästen erzähle, die in den gemütlichen, knallroten Sesseln im Kinosaal des Stadtarchivs Platz genommen haben.

Nun stehe ich da also und „Jupp“, wie er sich mir beim Kennenlernen vorgestellt hat, neben mir. Wir unterhalten uns über die guten, alten Zeiten, als Fußballer noch in erster Linie aus Liebe zum Spiel und nicht für Millionen auf dem Bankkonto gespielt haben. Das sagt Kaczor zumindest mehr als glaubhaft über sich selbst. Dann kommt er mit der ersten Anekdote um die Ecke: „Im Trainingslager auf Gran Canaria habe ich einen Abend ein bisschen zu viel Alkohol zu mir genommen. Plötzlich habe ich auf einem parkenden Auto gestanden und rumgeschrien ‚Der VfL steigt niemals ab!‘ Später bin ich dann in der Ausnüchterungszelle gelandet.“ Großes Gelächter im Saal! Was heute zu einer fristlosen Kündigung und einer Kaderverbannung führen würde, wurde damals mannschaftsintern geregelt. Mit der klaren Aufforderung von Trainer Heinz Höher an seinen Stürmer, dass er in den nächsten Spielen gefälligst das Tor treffen soll. Das machte er dann auch. 

Der launige Plausch zwischen „Jupp“ und mir ist nur ein Teil der ersten Auflage von „Dein Fußballwochenende in Bochum“. Der andere Teil waren drei mehrminütige Highlightclips von legendären Spielen gegen den FC Bayern München – also das ewig junge Duell zwischen David und Goliath. Angefangen beim „Jahrhundertspiel“ in der Saison 1976/77, in dem der Gesprächsgast doppelt traf. „Ohje, das war ich“, sagt Kaczor leise nach einer vergebenen Chance, die in dem Videobeitrag zu sehen ist. Ein Fußballer lebt so ein Spiel auch fast 50 Jahre später noch mit.

Es folgen neben dem Versuch einer Spielanalyse („Man kann sich das als Spieler auch nicht erklären, wie man eine 4:0-Führung aus der Hand geben kann.“) und Liebesbekenntnissen von Kaczor in Richtung VfL-Fans zwei weitere Spiele auf Leinwand. Zum einen der 1:0-Sieg aus der Saison 2003/04 mit einem sensationell haltenden Rein van Duijnhoven zwischen den Pfosten, zum anderen der 4:2-Erfolg von vor ziemlich genau zwei Jahren. Schon wieder erwischt mich die Gänsehaut, als Cristian Gamboa den Ball in den Winkel knallt. „Hat der VfL heute eine Chance?“, will ich von „Jupp“ wissen. „Meine Frau hat gesagt, Bochum gewinnt heute. Und das wünsche ich mir natürlich auch.“ Na dann …

Nach einer knappen Stunde gibt es den größten Applaus des Nachmittags. Und dann hatte sich „Jupp“ Kaczor dank seiner authentischen und unterhaltsamen Art mehr als verdient. Nicht nur wegen der anschließenden Currywurst und einem Kaltgetränk hat es den 60 Besucherinnen und Besuchern offensichtlich gefallen. Und die Autogramm- und Selfiejäger kamen auch auf ihre Kosten.

Der Spielbeginn war jetzt nur noch zweieinhalb Stunden entfernt. Genug Zeit, um noch einmal durch die Ausstellung zu schlendern. Beim Blick auf die zahlreichen VfL-Trikots der letzten Jahre kommen erneut Erinnerungen hoch. Wen hat man in den Hemden nicht alles spielen sehen!? Aber auch Devotionalien wie die Gründungsfahne des TV Bochum oder ein Modell des Ruhrstadions sind absolute Highlights für jeden Fußballfan. Der Besuch hat sich also gelohnt.

Noch 90 Minuten bis zu den wichtigsten 90 Minuten des Tages. So langsam aber sicher sollte man sich auf den Weg zum Stadion machen. Einige Nachrichten tauchen im Display meines Smartphones auf. Diese lassen nur einen Schluss zu: Auch meine Kumpels, mit denen ich gemeinsam schon seit vielen Jahren eine Dauerkarte habe, sind heiß auf das Spiel. Und trinken auch schon ohne mich ein Bierchen in der Ritterburg, einer Kneipe im direkten Stadionumfeld. Ich antworte kurz, dass ich direkt ins Stadion gehe. Es ist noch immer für mich jedes Mal ein magischer Moment, wenn ich die Treppenstufen im Blockeingang hinaufsteige und das Innere des Stadions erreiche. Ja, Ruhrstadion, ich liebe dich!

Was und wen hat dieses besondere Bauwerk im Herzen der Stadt nicht schon alles gesehen!? Auch heute sollte es Zeuge eines ganz besonderen Fußballspiels werden. Eigentlich läuft alles wie (fast) immer gegen die Bayern: Die ersten guten Aktionen gehören uns, aber in Führung geht der Deutsche Rekordmeister. Jamal Musiala knallt den Ball aus kurzer Distanz unter die Latte des Bochumer Tores. Wenige Augenblicke später lässt Harry Kane eine Riesenchance liegen. Kane. Im Ruhrstadion. Wow! Ich beuge mich nach vorne zu zwei meiner Kumpels: „Dass er den nicht gemacht hat, kann nochmal wichtig werden.“ Ich ernte ein müdes Lächeln, weil ich für meinen übertriebenen, nicht selten realitätsfernen Optimismus bekannt bin.

Nachdem Takuma Asano nach kämpferischer Vorarbeit von Kapitän „Toto“ Losilla (wahrscheinlich für immer mein absoluter Lieblingsspieler) und Keven Schlotterbeck nach herrlicher Ecke von Kevin Stöger auf 2:1 für den VfL gestellt haben, dreht sich einer meiner Kumpels um: „Ich glaube, dass Kane den nicht gemacht hat, war wichtig für uns.“ Jetzt lächle ich, aber überhaupt nicht müde. Das Stadion ist nach den beiden Ekstase-Momenten längst ein Tollhaus. Und das steigert sich noch einmal, als Dayot Upamecano vom Platz fliegt und Stöger den anschließenden Elfmeter verwandelt. „Pfeif einfach ab!“, schreie ich vollkommen unangebracht eine Viertelstunde vor Ende der regulären Spielzeit in Richtung Schiedsrichter. Aber der VfL wäre nicht der VfL, wenn er es nicht noch einmal spannend machen würde. Kane staubt ab, nur noch 3:2. Die acht Minuten Nachspielzeit ziehen sich wie Kaugummi … Endlich ertönt der Pfiff der Erlösung. Unglaublich! Diese Mannschaft hat es schon wieder getan. Dieses Stadion hat mal wieder einen magischen Abend erlebt. Und ich auch.

An einem solchen Abend fällt es schwer, nach Hause zu gehen und so zu tun, als wäre nichts gewesen. Deshalb gibt es den Gedankengang in meinem Kopf auch erst gar nicht. Ab in den Biergarten der Ritterburg, es gibt schließlich über dieses Spiel noch viel zu besprechen. Mit meinen Freunden, aber auch mit wildfremden Menschen vom Nachbartisch. Denn Fußball verbindet bekanntlich. Auch an diesem perfekten Fußballtag in Bochum.
 

P.S. Hut ab, Frau Kaczor, vor Ihrer Fußballexpertise!

verfasst von Krummi Februar 2024

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