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„Wie geht es / weiter / geht es / so / weiter“

Schauspielhaus Bochum gibt Einblick in die zweite Spielzeithälfte

Bei einem öffentlichen Live-Stream aus dem Schauspielhaus Bochum wurde heute das Programm der zweiten Spielzeithälfte der Saison 2021/2022 vorgestellt. Schauspielhaus-Intendant Johan Simons, Chefdramaturg Vasco Boenisch, Cathrin Rose als Leiterin des Jungen Schauspielhaus und die 16-jährige Finnja Negendank als Mitglied der Drama Control präsentierten eine große Bandbreite von insgesamt 13 neuen Inszenierungen, die ab Februar den Spielplan an der Königsallee prägen.

„Wir alle taumeln noch immer inmitten eines Sturms, den wir längst gern überstanden hätten“, sagte Johan Simons mit Blick auf die Corona-Pandemie, „wir suchen Auswege, Antworten, finden uns in gesellschaftlichen Gräben wieder, die sich stetig verschieben und vertiefen.“ Theater und Kunst könne in diesen Zeiten neue Perspektiven eröffnen und Kraft geben, um Problemen mit Hoffnung zu begegnen: „Ich möchte die Erschöpfung nicht gewinnen lassen, sondern dagegen angehen, auch mit unserem Theater. Im Theater kommen zusammen: Verstand und Fantasie, Sinn und Sinnlichkeit, Nachvollziehbares und Irritierendes, und daraus kann ein anderer Zugang zur Welt entstehen, den es sonst nicht gibt; vor allem kommen wir hier zusammen in all unserer Unterschiedlichkeit.“

„Jetzt, wo viele Menschen erst langsam wieder in die Theater zurückkehren – und wir müssen auch damit rechnen, dass es nie mehr so wird wie zuvor –, da ist es noch einmal wichtiger, genau zu überlegen, welche Stoffe wir auf die Bühne bringen und für wen und auch mit wem“, so Vasco Boenisch. „Das Publikum sucht vielleicht noch stärker als sonst im Theater emotionale Nähe, das Gefühl von Gemeinschaft sowie außergewöhnliche künstlerische Erlebnisse. Beides bietet die zweite Spielzeithälfte: mit inklusivem Theater, großem Schauspiel, berührenden und witzigen Aufführungen, mit völlig neuen ästhetischen Erfahrungen und indem wir Menschen ins Zentrum rücken, die sonst nicht zur Mehrheitsgesellschaft zählen – und raus gehen in die Stadt.“

Den Auftakt in die zweite Spielzeithälfte markiert am 3. Februar die Deutschland-Premiere von Christopher Rüpings vielfach preisgekrönter Inszenierung Einfach das Ende der Welt. Die Geschichte um einen Sohn, der nach zwölf Jahren zu seiner entfremdeten Familie zurückkehrt, wurde 2021 zur Inszenierung des Jahres gewählt und ist im Rahmen der Kooperation Transfer Zürich/Bochum zu sehen. Das Gastspiel beschert dem Bochumer Publikum nicht nur ein Wiedersehen mit Regisseur Rüping, dessen Bochumer Uraufführung Das neue Leben mit großem Erfolg gespielt wird, sondern auch mit Maja Beckmann, die viele Jahre dem Ensemble angehörte und für ihr Spiel u. a. in Einfach das Ende der Welt zur Schauspielerin des Jahres 2021 gewählt wurde.

Zu den Neuproduktionen des Schauspielhaus Bochum im Februar gehören die Premiere des musikalischen Abends Mit anderen Augen, in dem sich Regisseurin Selen Kara und Musiker Torsten Kindermann in die Welt der Blindheit begeben (Premiere: 12. Februar), sowie Nora Schlockers Inszenierung Lorenzaccio, die ins korrupte Florenz des 16. Jahrhundert führt und anhand der Geschichte des Lorenzo de Medici hinterfragt, was einen Menschen zum Attentäter macht (25. Februar).

Am selben Tag hat die Performance Das Narrenschiff der Gruppe Monster Truck ihre Deutschland-Premiere. In der Koproduktion mit dem NTGent feiern Menschen mit Behinderung ein mitreißendes Fest der Selbstermächtigung und Befreiung (25. Februar).

Mit einem zweiten Gastspiel der Kooperation Transfer Zürich/Bochum geht es weiter im März: Friedrich Dürrenmatts Der Besuch der alten Dame wird 65 Jahre nach seiner Uraufführung einer neuen Versuchsanordnung unterzogen. Regisseur Nicolas Stemann, Co-Intendant des Schauspielhaus Zürich, inszeniert das Stück mit seinen mehr als 30 Rollen nur mit den beiden Spieler*innen Patrycia Ziółkowska und Sebastian Rudolph – ein Schauspiel-Ereignis, das in Zürich von Publikum und Presse hoch gelobt wurde und nun in Bochum Deutschland-Premiere feiert (02. März).

Ein halluzinierender visueller Trip verspricht die Performance Headroom in den Kammerspielen zu werden. Das niederländische Duo Boogardt/VanderSchoot lädt gemeinsam mit dem Regisseur Erik Whien zu einer Reise ins Unbewusste ein, genauer: zu einem psychedelischen Theaterthriller aus vertrauten Situationen, die immer wieder ins Surreale gleiten – einzigartiges Bildertheater ohne Sprache (12. März).

Die für ihre witzigen Musiktheaterabende gefeierten Barbara Bürk und Clemens Sienknecht inszenieren im April erstmals am Schauspielhaus Bochum und nehmen sich quasi den Bochumer Theaterklassiker schlechthin vor: Die Hermannsschlacht – allerdings mit anderem Text und auch anderer Melodie. 40 Jahre nach Claus Peymann und rund 2.013 Jahre nach der Varusschlacht erwartet das Publikum eine Jubiläumsgala der Sonderklasse für Hermann, Thusnelda und die Römer im Teutoburger Wald (29. April)!

Raus aus dem Theater, rein in die Fußballclubs heißt es ab Mai, wenn Malte Jeldens Inszenierung Nicht wie ihr nach dem Fußball-Roman von Tonio Schachinger zu sehen ist. Premiere feiert die spannende Aufstiegsgeschichte eines serbischen Profisportlers in Westeuropa bei der SG Wattenscheid 09 – und tourt im Anschluss kreuz und quer durch Bochumer Vereinsheime sowie das Deutsche Fußballmuseum (4. Mai).

Lies Pauwels hat zu Beginn der Intendanz von Johan Simons mit ihrem Hamiltonkomplex und den dreizehn 13-jährigen Mädchen das Publikum berührt wie selten ein Stück zuvor. Im Mai kehrt die belgische Regisseurin zurück ans Schauspielhaus Bochum. Für Baroque hat sie mehrgewichtige Performerinnen gefunden, die gemeinsam mit dem Bochumer Ensemble eintauchen in eine Welt der Überfülle, des grenzenlosen Wachstums – ein Tanz auf dem Vulkan zwischen Lebenslust und Lebensangst, ein überbordendes Spektakel zwischen 18. und 21. Jahrhundert (7. Mai)

Können wir uns eine Zukunft vorstellen, in der der Mensch nicht in Konkurrenz zur Welt steht, sondern Teil von Natur, Tier- und Pflanzenwelt ist? Dieser Frage widmen sich Tom Schneider, Sandra Hüller und ihr FARN. collective in ihrem posthumanen Ritual The Shape of Trouble to Come. In der Koproduktion mit dem Schauspiel Leipzig geht es auch um die Erprobung alternativer Formen des Musiktheaters (17. Mai).

Zum Abschluss der Spielzeit 2021/2022 wird im Juni der Theatervorplatz zur ganz großen Bühne für die Uraufführung Nadzieja i tęsknota / Umut ve Özlem / Hoffen und Sehnen. Auf der Basis von Gesprächen mit Bochumer*innen mit polnischem oder türkischem Background schreibt der Autor Akın Emanuel Şipal ein Stück im Auftrag des Schauspielhaus Bochum über verschiedene Generationen von Einwander*innen und deren Erfahrungen in Deutschland. Auf die Bühne bringt es Regisseurin Liesbeth Colthof, die auch Die unendliche Geschichte inszeniert hat, mit dem Ensemble sowie vielen Menschen aus Bochum. Wir freuen uns auf eine Vorstellung für die ganze Stadt: offen, berührend, unterhaltsam, musikalisch – ein Sommer-Theater-Erlebnis (18. Juni)!

Auch im Theaterrevier, der Spielstätte des Jungen Schauspielhaus, stehen in der zweiten Spielzeithälfte spannende Premieren auf dem Programm: Die Uraufführung Weg vom Fenster (für Menschen ab 4 Jahren) von Regisseurin Wera Mahne und Kindern der Gruppe Drama Control widmet sich dem Leben und dem Tod – und allem, was dazwischen passiert (26. März). Im Auftragswerk Mädchenschrift (für Menschen ab 16 Jahren) von Özlem Özgül Dündar und der Drama Control fragt Regisseurin Selen Kara, warum es bestimmte Bilder von Weiblichkeit gibt und woher der Drang kommt, Frauen und ihre Körper zu bewerten (28. Mai).

Ein ganz besonderes Ereignis für das junge Theaterpublikum folgt vom 11. bis 17. Juni, wenn das Schauspielhaus Bochum Gastgeber des 38. Westwind Festivals wird. Das renommierte Theatertreffen für junges Publikum in NRW präsentiert zehn bemerkenswerte Inszenierungen, internationale Gastspiele, Workshops, Partys, Diskussionen und Begegnungen.

„Wir sind Teil der Jugend, die sich Veränderung wünscht. Wir blicken hinter Vorhänge und auf die Finger derer, die der Kunst Leben verleihen. Geben unseren Senf dazu oder werfen Glitzer darauf“, so Drama Control-Mitglied Finnja Negendank zum Programm des Jungen Schauspielhaus. Die Drama Control ist ein 15-köpfiger Aufsichtsrat mit Kindern und Jugendlichen zwischen sechs und 22 Jahren, der für die künstlerische Programmgestaltung im Theaterrevier verantwortlich ist.

Außerdem wird die FIDENA – das Festival Figurentheater der Nationen – im Mai traditionell zu Gast im Schauspielhaus Bochum sein.

Im Oval Office ist noch bis zum 20. Februar die Videoinstallation Salamis von Stefan Hunstein zu erleben – wie immer bei freiem Eintritt, powered by Brost Stiftung. Im April folgt eine neue Filminstallation des Duos Leopold Emmen, hinter dem sich die niederländische Filmemacherin Nanouk Leopold und der Künstler Daan Emmen verbergen: In Another Woman sind u. a. Schauspielerin und Sängerin Sandra Hüller und die Choreografin Meg Stuart zu erleben (29. April).

Neben den vorgestellten Premieren, Neuproduktionen und Uraufführungen verbleiben zahlreiche Inszenierungen aus dem Repertoire im Programm der zweiten Saisonhälfte und werden weiterhin gezeigt, darunter Franz-Xaver Mayrs Doppel-Inszenierung antigone. ein requiem / Die Politiker, Saara Turunens surreales Stück Das Gespenst der Normalität, Christopher Rüpings umjubelte Inszenierung Das neue Leben, Anna Stiepanis Klassikerinterpretation Der gefesselte Prometheus, Guy Clemens‘ von schwarzem Humor durchzogenes Regiedebüt Der Kissenmann oder auch vielbeachtete Inszenierungen von Intendant Johan Simons wie Hamlet, Iwanow, Mysterien, Ödipus, Herrscher und Macbeth sowie das anlässlich der Pandemie entwickelte Gemeinschaftsprojekt Jeder Tag ein Vollmond von Katja Brunner, Gina Haller und Risto Kübar, der beeindruckende poetische Theateressay Noise. Das Rauschen der Menge von Manuela Infante, Robert Borgmanns Auseinandersetzung mit Bulgakow und Bach Passion I und II, die gefeierte Neuinszenierung von Peer Gynt von Dušan David Pařízek, die viel diskutierte Aufführung Schande (Disgrace) von Oliver Frljić oder das von Tamo Gvenedtadze inszenierte Theatersolo Schrecklich amüant – aber in Zukunft ohne mich und Mateusz Staniaks Romanadaption Wer hat meinen Vater umgebracht.

Viele weitere Informationen zum Programm sowie zahlreiche Interviews, Hintergrundgeschichten und Fotos zur zweiten Saisonhälfte gibt es in der neuen kostenlosen Spielzeitzeitung, die ab sofort überall in Bochum zu finden ist sowie auf der Website www.schauspielhausbochum.de.

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