
Mit Tränen in den Augen
Mit Tränen in den Augen Das Engagement vieler Bochumer für ein Musikforum wird endlich belohnt
Obwohl das Anneliese Brost Musikforum Ruhr schon fast fertig ist, kann die für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Bochumer Symphoniker zuständige Christiane Peters es immer noch gar nicht richtig glauben.

Die damit verbundene Aufregung teilt sie mit allen, die mit dem Musikforum zu tun haben. Nicht nur mit den Musikern und den Kollegen aus der Verwaltung. Auch mit dem Freundeskreis und allen, die irgendwie an diesem langen Prozess beteiligt waren. „Das Einzige, das mich im Moment davon abhält, mit einem breiten Dauergrinsen durch Bochum zu laufen, ist die viele Arbeit, die es in den kommenden Wochen noch zu erledigen gibt.“ Das kennt sie aber auch gar nicht anders aus ihrer fünfzehnjährigen Tätigkeit für die Bochumer Symphoniker. Wurde bisher noch geplant und eine Vision entwickelt, wird es jetzt konkreter: Welcher Schreibtisch kommt wohin? Welcher Zugang ist für welche Besuchergruppe am besten? „Wir wollen, dass alle Leute, die uns besuchen, sich genauso wohlfühlen wie wir.“
Mit dem neuen Haus ist auch Bochum Marketing als neuer Ticketing-Partner mit dabei. Das und viele andere neue Dinge und Abläufe müssen sich erst einspielen. Aber schon jetzt hat Christiane Peters das Gefühl, das sich die Begeisterung für dieses neue Projekt ziemlich schnell überträgt. Und dass Menschen, die im Moment noch entfernt mit dem Musikforum zu tun haben, sich schnell mit der Idee infizieren lassen, was dieses Haus eigentlich sein soll und was es bedeutet.
Das Musikforum ist in vieler Hinsicht etwas ganz Besonderes.
Hier haben sich die Bochumer ein Haus gebaut, was uns auszeichnet und uns sehr stolz macht.
Akordeon
Mehr als 12,3 Millionen Euro sind durch über 25.000 private Spender zusammengekommen. „Das ist für eine Stadt wie Bochum, von der überregional keine guten wirtschaftlichen Nachrichten wahrgenommen werden, und in der die Unterstützung durch die große Wirtschaft fehlt, eine enorme Leistung.“
Besonders auch die Architektur, die eine Verbindung zwischen Tradition und Moderne herstellt. Und in deren Mittelpunkt die alte Kirche steht, die schon seit der Jahrtausendwende nicht mehr genutzt wird, und bei der lange überlegt wurde, ob sie stehenbleiben soll. Die Kirche steht nicht nur im Mittelpunkt des Musikforums, was die Räumlichkeit angeht, die Architekten haben sie auch zum Maßstab gemacht, der für das ganze Gebäude gilt: Der Saal ist nicht höher als die Traufhöhe der Kirche, und nicht breiter als ihr Mittelschiff. „Die Kirche gibt den Maßstab vor. Wir beziehen uns auf das, was vorher in Bochum schon war. Und was vorher schon Orientierung gegeben hat, wie der Kirchturm.“ Ebenso besonders, dass hier eine Stadt so ein Haus baut. Normalerweise werde so etwas an einen externen Projektsteuerer gegeben. „Wir als Stadt bekommen das hin.“
Es gab zuvor viele Überlegungen, wo das Musikforum gebaut werden soll. Auch der Dr.-Ruer-Platz und das Gelände der Jahrhunderthalle waren einmal im Gespräch. „Wir sind mit dem jetzigen Standort da, wo das Leben pulsiert: direkt gegenüber des Bermuda3Ecks, in Laufnähe zum Bahnhof, ein Verbindungsglied zum neuen Viktoria-Quartier und seinem wachsenden kreativem Leben.“
Schon lange vor der Eröffnung am letzten Oktoberwochenende hatten die Bochumer Symphoniker und Christiane Peters Tränen in den Augen. Bei der ersten kleinen akustischen Probe vor einem halben Jahr. „Es ist nochmal was anderes, ob man den Bau mitverfolgt und mitbekommt, wie das Haus wächst, oder man sieht, wie das Orchester das allererste Mal auf die Bühne kommt und anfängt zu spielen.“ Dann ist es real! Nicht weniger emotional dürfte es auch bei der Eröffnung zugehen.
Die Bochumer können sich darauf freuen, eine Musik von den Bochumer Symphonikern zu hören, die sie nicht erwarten. „Unser Programm wird nicht nur Symphoniekonzerte umfassen oder Musik, die man zu allererst mit Klassik in Verbindung bringt.“ Es wird beispielsweise auch Musik geben, die zu Computerspielen entstanden ist und orchestral aufgeführt wird. Oder Mitternachtskonzerte mit elektronischer Musik. Ebenso wird es Hörproben geben, während denen zu beobachten ist, wie ein Orchester arbeitet. „Warum sitzen die Geigen links und die Bässe rechts? Was spielen die da eigentlich?“ Auch die Bochumer, die mit Musik bisher nicht so viel zu tun hatten, dürfen sich über einen neuen Identifikationspunkt freuen. Schon jetzt hat auch das überregionale Feuilleton, das üblicherweise nicht so viel über das Ruhrgebiet berichtet, seinen Blick auf Bochum gerichtet: Wie hier „mit einer gewissen Bescheidenheit, aber auch mit einem gewissen Selbstbewusstsein“ an die Sache herangegangen wird, ohne sich zu überheben und sich zu überschätzen. „Guck mal, da passiert was in Bochum, das geht woanders nicht. Woanders kostet alles mehr als ursprünglich geplant und dauert länger. Warum klappt das da im ‚kleinen‘ Bochum?“. Dass es klappt, habe sicherlich auch etwas mit der Ruhrgebietsmentalität zu tun: „Gucken wir mal, was wir haben, und was wir damit machen können.“
Christiane Peters ist überzeugt, dass dieses Haus positive Einflüsse auf die Stadtentwicklung haben wird, und sagt mit einem kleinen Augenzwinkern: „Teilweise brauchen die Bochumer vielleicht einfach nur etwas länger, um festzustellen, was sie hier Tolles auf die Beine gestellt haben.“
Manchmal wird sie stellvertretend für die Stadt belächelt: „Ja, ja, Bochum, die Kulturstadt.“ Doch Kultur habe in Bochum tatsächlich einen sehr hohen Stellenwert. „Es gibt und gab hier Leute, denen Kultur wichtig ist und war.“ Wie beispielsweise der erste gewählte Stadtrat, der 1919, am Ende des Ersten Weltkriegs beschloss, gleich zwei Kulturinstitute zu gründen und zu finanzieren: Das städtische Theater und das städtische Orchester. „In einer Zeit, in der es andere Dinge zu tun gab, als über Kultur nachzudenken.“ Oder die Gründung der Kammerspiele nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Oder heute eben Steven Sloane, der sich vehement dafür eingesetzt hat, dass die Bochumer Symphoniker eine Heimat bekommen. Sein Engagement wird nun belohnt.
Sven Berger
Dieser Artikel ist in der BOMA-Ausgabe Oktober 2016 erschienen.


Anneliese Brost Musikforum Ruhr
Marienplatz 1
44787 Bochum
T 0234 9108622
www.bochumer-symphoniker.de/musikforum/
Karten für die Veranstaltungen im Anneliese Brost Musikforum Ruhr gibt es in der Bochum Touristinfo, Huestraße 9.
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