Kulturviertel im Grünen

Kulturviertel im Grünen Bochum-Weitmar: Vom Schlosspark bis zum Kunstkiez

Einst war Weitmar eines der frühesten Bergbaureviere Bochums, heute ist der Stadtteil eine grüne Lunge und fördert vor allem Kunst und Kultur zutage. Wir haben vier spannende Viertel in Bochum-Weitmar entdeckt, die abseits von der umtriebigen Innenstadt jede Menge Entspannung und Unterhaltung bieten.

Ein perfektes Zusammenspiel von Natur und Kultur bietet der Schlosspark. Wer die weitläufige Grünfläche von der Haltestelle an der Hattinger Straße aus betritt, der läuft direkt auf das Museum unter Tage (MuT), den Kubus und die alte Sylvesterkapelle zu. Der Weg ist gesäumt von Kunstwerken, die manchmal ganz unscheinbar, manchmal unverkennbar mitten in die Natur eingefügt wurden, darunter Werke von Richard Serra, François Morellet und Lee Ufan. Ein genauer Blick lohnt sich.

Nicht zu übersehen ist der Eingang des MuT, wo unter der Erde Kunst ausgestellt wird. Zwei Ausstellungen sind dort zu beschauen, dauerhaft „Weltsichten. Landschaft in der Kunst seit dem 17. Jahrhundert“ und in der Wechselausstellung aktuell „Adolf Luther – Licht“. Das MuT bildet ein Ensemble mit Situation Kunst, einer zeitgenössischen Kunstsammlung von Skulpturen und Bildern.

Die Büros von Situation Kunst befinden sich im prachtvollen Kubus, der in eine Ruine des Herrenhauses des ehemaligen Adelssitzes Haus Weitmar gebaut wurde. Hier befinden sich auch ein Trauzimmer, ein Veranstalstungssaal und das Museumscafé Baristoteles, wo Inhaber Simon Hass selbst gerösteten Kaffee und hausgemachten Kuchen anbietet, inklusive eines Kaffeemuseums. „Eine kleine heile Kaffeewelt mit viel Platz für alle Anlässe“, sagt der Bochumer: „Es ist der ideale inspirierende Ort, mein Hobby als Beruf auszuleben.“

Auch abseits von Kunst und Kaffee lässt sich im Schlosspark entspannen, zum Beispiel an dem idyllischen Teich gleich neben dem MuT oder im Schatten der Sylvesterkappelle, die erst kürzlich Schauplatz für Shakespeare-Aufführungen war. Ebenfalls in dem Viertel angesiedelt ist die Fidena, die im zweijährigen Rhythmus ein Festival der Figuren auf die Beine stellt. Sportlich wird es auf dem Springorum Radweg, der direkt durch den Schlosspark führt.

Feiern und Theater

Über die ehemalige Bahntrasse lässt sich auch leicht die Prinz-Regent-Straße in Weitmar-Mark erreichen, die allemal einen Abstecher wert ist. Nachtschwärmern ist die Gegend insbesondere wegen der Zeche bekannt, eine ehemalige Schlosserei der Zeche Prinz Regent, in der seit 1981 Partys und Konzerte stattfinden. Vor allem die Tribute-Band-Szene hat sich hier etabliert.

Gleich nebenan bringt das Prinz-Regent-Theater immer wieder innovative Produktionen auf die Bühne. Im Repertoire hat das charaktervolle Theater in dieser Spielzeit unter anderem Faust, Moby Dick und den Tatortreiniger, eine Adaption der beliebten TV-Serie. Am 27. November feiern die neuen Folgen des Tatortreinigers Premiere. Die Theatermacher Hans Dreher und Anne Rockenfeller leben seit April im Stadtteil, in Weitmar-Mitte. „In diesem Teil Weitmars fühlt sich alles sehr dörflich an – das meine ich absolut als Kompliment. Man kennt seine Nachbarinnen und Nachbarn, grüßt sich auf der Straße“, sagt Dreher: „Wir fühlen uns – dienstlich wie privat – in Weitmar sehr gut aufgehoben und sind froh, hier unseren Lebens- und Arbeitsmittelpunkt zu haben.“

Auf der anderen Seite des PRT-Gebäudes befindet sich seit Kurzem das Theaterrevier des Schauspielhauses, wo vor allem Aufführungen für Kinder und Jugendliche stattfinden, dazu regelmäßige Gruppenaktivitäten und Workshops. Und in der Folkwang Pop-Akademie werden die Musiker, Producer und Songwriter von morgen ausgebildet. Ein Ausklang eines Kulturabends ist am Ende der Prinz-Regent-Straße im Coco Loco möglich, dem ältesten spanischen Restaurant Bochums. Für Aktive lohnt sich der Weg zur Holtbrügge, wo ein Bike-Park wartet.

Kunstkiez Bärendorf

Ein interessantes und ständig wachsendes Künstlerviertel hat sich seit 2015 auch in Weitmar-Bärendorf entwickelt. Im Kunstkiez rund um die Hattinger Straße 218 – 222 haben sich auf Initiative des Hausbesitzers Palo Tomko, eigentlich Informatiker von Beruf und selbst leidenschaftlicher Keyboarder, mehr als 15 Kreative angesiedelt, die ihre Schaffenskraft gemeinsam nutzen, unter anderem der bekannte Poetry Slammer Sebastian 23. Zuletzt wirkte der Kunstkiez bei der Organisation der Kulturlinie Ruhr, wo über zehn Tage in der Nähe der Stationen und in der Bahn Auftritte stattfanden.

„Die Kulturlinie war super erfolgreich, das werden wir im nächsten Jahr weiterführen“, sagt Künstlerin Uta Hoffmann, die so etwas wie die „Mutter“ des Kunstkiezes ist. Die Kreativen treten in ganz Bochum auf, einen Spielort samt Werkstatt haben sie selbst hochgezogen: die Bakery. In einer alten Zwiebackfabrik im Zentrum des Kunstkiezes wurde eine Lokalität entwickelt, die den Kreativen breit gefächerte Möglichkeiten gibt, ihre Kunst vor bis zu 100 Zuschauern zu präsentieren: ob Ausstellung, Konzert, Lesung oder Aufführung. Der „alte Kirmesplatz“ zwischen Hattinger Straße und Weitmarer Straße wurde ebenso zu einem Veranstaltungs- und Begegnungsort umgestaltet.

Inspiration können die Kreativen vom Kunstkiez auch im Grünen sammeln, denn gleich hinter der Hattinger Straße liegen mit dem Wiesental und dem Dürertal zwei größere Naturgebiete. Künstlerisch Begabte können dem Marbach folgen und unter der Brücke der Wasserstraße auf den Freiflächen der Stadt Bochum Graffiti sprühen. Hungrigen kann ebenfalls in Bärendorf geholfen werden, denn der Weg die Hattinger Straße her[1]unter gleicht einer kulinarischen Weltreise.

Weitmarer Holz

Wer einfach nur in der Natur entspannen will, ist im Weitmarer Holz richtig, das zum Beispiel über die Blankensteiner Straße erreichbar ist. Auf 80 Hektar Fläche erstreckt sich das größte zusammenhängende Waldgebiet Bochums. Das mit Rotbuchen, Sieleichen und Birken bewachsene Gelände ist ein beliebtes Naherholungsgebiet. Im Weitmarer Holz steht der Jörgenstein, ein Findling, der die Entdeckung der Steinkohle durch den Bochumer Schweinehirten Jörgen markiert. Aufgrund seiner Vergangenheit im Bergbau ist der Wald von tiefen Furchen durchzogen, man sollte also auf den Wegen bleiben. Davon gibt es im Weitmarer Holz stadtuntypisch viele, so finden sich hier leichte bis mittelschwere Wanderwege, aber auch Reitwege. Einer dieser Wege führt in einer 1,5 Kilometer langen Runde um das sich im Wald befindliche Jörgenstein-Wildgehege, das Wildschweine, Damwild und bis zu 30 Mufflonschafe beherbergt. In Kooperation mit dem Verein Wildgehege Jörgenstein veranstaltet die IUZ Sternwarte mit einem Wild-Ranger Führungen für Kinder im Alter von fünf bis zehn Jahren und deren Eltern.

Die Sternwarte ist ein weiteres Highlight in Weitmar. Sie war 1957 die erste Station der westlichen Welt, die das Signal des sowjetischen Erdsatelliten Sputnik I empfing, begleitete die Apollo-Missionen und die Mondlandung. Auch heute ist sie noch an der Forschung der NASA beteiligt. Neben einer Ausstellung bietet sie auch Bildungsprogramme für Kinder, Jugendliche und Erwachsene sowie Veranstaltungen. „Wir haben verschiedene Angebote für verschiedene Altersklassen, im Herbst kann man ab der Zeitumstellung an der astronomischen Beobachtungsstation bei gutem Wetter abends den Sternenhimmel beobachten und mit dem Teleskop Astronomie betreiben“, erzählt Sternwarten-Chef Thilo Elsner.

Die Sternwarte liegt am Rande des Weitmarer Holz. Mittendrin im Wald finden sich zwei Restaurants, die sich für die Einkehr nach der Wanderung anbieten: Das Forsthaus, das über eine abwechslungsreiche Küche und Veranstaltungen wie Krimi-Dinner verfügt, und das 1818 entstandenen Borgböhmer’s Waldesruh, das neben einem Minigolfplatz Festräume im mediterranen Stil und ein Restaurant mit klassischer Speisekarte bietet. Das gibt Kraft für die nächsten Entdeckungen in Weitmar, denn das Viertel hat noch mehr zu bieten.

Überzeugen Sie sich selbst!

 

Anna Schlenter, Felix Kannengießer

Dieser Artikel ist in der BOMA-Ausgabe November 2022 erschienen.

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