Generalmusikdirektor und Intendant Steven Sloane verlässt die Bochumer Symphoniker

Der Abschied vom Abschied Generalmusikdirektor und Intendant Steven Sloane verlässt die Bochumer Symphoniker

„Mr. Sloane thanks you“ steht auf den lilaroten Plakaten, die das Ende einer Ära in Bochum dokumentieren. Überall in der Stadt dankt der scheidende Generalmusikdirektor und Intendant Steven Sloane auf Plakaten den Bochumern für „27 unvergessliche gemeinsame Jahre“.

Rückblende ins Jahr 1994: Eine großangelegte Werbekampagne des Freundeskreises der Bochumer Symphoniker kündigt den neuen Generalmusikdirektor an: „Please welcome Mr. Sloane“. Obwohl das Wort Willkommenskultur erst später geprägt wird, drücken die Plakate die große Vorfreude auf den neuen Mann am Pult der Bochumer Symphoniker aus. Die Freude auf einen Aufbruch verbunden mit einer großen Aufgabe: Das Orchester auf ein höheres musikalisches Level zu bringen, neue Formate und Zielgruppen zu erschließen und die Bochumer nach dem Weggang von Vorgänger Eberhard Kloke (wieder) von ihrem – liebevoll BoSy – genannten Orchester zu überzeugen. Dass der damals 36-jährige Kalifornier dieser Aufgabe 27 Jahre seines Lebens widmen wird, ahnt damals niemand. In der Musikwelt eine außergewöhnlich lange Beziehung, die in Bochum mit einem „unvergesslichen Empfang“ beginnt, wie Steven Sloane erzählt. Für den er damals genauso dankbar ist wie heute kurz vor seinem Abschied im Juni 2021.

In der Saison 2015/2016 ziert deshalb die Plakatkampagne der BoSy nicht nur das lächelnde Konterfei des neuen Chefs, sondern auch der Satz: „Mr. Sloane welcomes you.“ Eine tiefe Verbundenheit zwischen Publikum, Orchester und Generalmusikdirektor entsteht in kürzester Zeit, die sich in den nächsten Jahrzehnten zum tragenden Fundament entwickelt und sicherlich einer der Erfolgsfaktoren dieser Intendanz ist.

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Mit einem Eröffnungsmonat präsentiert der engagierte Dirigent im Herbst 1994 seine Neuausrichtung des Konzertangebotes, seine konzeptionelle Programmierung und seinen Drang, die Musiker zum Blick über den klassischen Tellerrand zu animieren und die Musik zu den Menschen zu bringen. „BoSy on Tour“ wird jahrelang – zwangsweise ohne eigene Spielstätte – nicht nur auf dem LKW des Orchesters stehen.

Die Programmgestaltung des neuen GMD gefällt aber nicht nur dem Bochumer Publikum, sondern findet auch national Würdigung. Schon im dritten Jahr seiner Intendanz verleiht der Verband Deutscher Musikverleger Steven Sloane und den Bochumer Symphonikern den begehrten Preis für das beste Konzertprogramm. Zahlreiche Auszeichnungen und Einladungen zu Gastspielen rund um den Erdball werden in den nächsten Jahrzehnten folgen. Und Ende der 1990er-Jahre kommt ein weiteres, hochgestecktes Ziel hinzu: Der Bau eines Konzerthauses. Bis zur Eröffnung des Anneliese Brost Musikforum Ruhr im Oktober 2016 wird Steven Sloane eines der prägenden Gesichter dieses einzigartigen Erfolgsprojekts sein. Voller Tatendrang, Charme, Beharrlichkeit und der ruhrgebietstypischen „Anpackermentalität“ gibt er sein Bestes für die Erfüllung dieses Traums und strahlt nach dem Eröffnungskonzert überglücklich. Fünf weitere gemeinsame Jahre verspricht er 2016 und hält sein Versprechen – 2021 wird sein Abschiedsjahr. Neben den Festaktivitäten zum 700. Geburtstag Bochums sollte der Juni auch der Abschiedsmonat für Steven Sloane werden.

Eine liebevoll gestaltete „Abschiedstournee“ mit einem Fokus auf Projekten, Künstlern, Partnern und die Menschen, ohne die die Erfolgsgeschichte der vergangenen 27 Jahre nicht möglich gewesen wäre. Aber mit der Pandemie kommt Lockdown für Lockdown der Abschied vom geplanten Abschied, der allen Beteiligten trotz oder gerade wegen der zahlreichen Anpassungen an die gegenwärtige Krisensituation sichtlich schwerfällt. So ist aktuell unklar, ob und wenn ja, wie sich der inzwischen zum Ehrendirigenten Bochums ernannte Sloane persönlich im Musikforum verabschieden kann. „Zu gerne hätte ich mit Ihnen in unserem schönen Musikforum gefeiert, viele spannende Konzerte auf dem Programm, das Orchester in großer Besetzung auf derBühne, mit geselligem Beieinandersein im Foyer“, schreibt er in der Konzertübersicht für Mai. Er wird alle Streamingkonzerte dieses Monats selbst dirigieren, sodass es einen digitalen Abschied mit der Musik von Richard Wagner, Gustav Mahler und einer Auftragskomposition der israelischen Komponistin Ella Milch-Sheriff geben wird. Für einen persönlichen Abschied im Juni bleibt die Hoffnung. Ganz gewiss ist und bleibt nach 27 Jahren in Bochum die Dankbarkeit. „Mr. Sloane thanks you“ steht auf den lilaroten Plakaten überall in Bochum zu einem Abschied der besonderen Art.

Michaela Schloemann

Dieser Artikel ist in der BOMA-Ausgabe Juni 2021 erschienen.

Musikforum Bochum

Das Anneliese Brost Musikforum Ruhr ist das neueste kulturelle Prunkstück Bochums. Die Heimstätte der Bochumer Symphoniker wurde im Oktober 2016 feierlich eröffnet und besitzt zwei Aufführungssäle, von denen der größte rund 960 Zuschauer fasst.

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