
Kunstvolle Einblicke in Bochums U-Bahn-Stationen
Das neue „unter Tage“ Kunstvolle Einblicke in Bochums U-Bahn-Stationen
Ein nervöser Blick auf die Uhr, dann geht es raus aus der U-Bahn und schnell zum nächsten Anschlusszug. Oft bleibt beim Bahnfahren nicht viel Zeit, um sich die Umgebung näher anzuschauen. Doch ein Blick in Bochums U-Bahn-Haltestellen lohnt sich: Das neue „unter Tage“ hält kunstvolle Einblicke bereit.



Dreh- und Angelpunkt des gesamten Bochumer U-Bahn-Verkehrs, der über 30 Kilometer zählt, ist der Hauptbahnhof. Dort finden sich auch die ersten kleinen Kunstwerke. Über dem Zugang zur Bahnlinie 308/318 erstreckt sich ein großes Graffiti. Ein Wandmosaik mit den Wahrzeichen Bochums schmückt den Durchgang zu den Bahnsteigen auf der anderen Seite. Darauf lassen sich viele Motive wie die Ruhr-Universität, das Schauspielhaus und das Ruhrstadion entdecken. In den jeweiligen Seitenräumen der Bahnsteige sind zudem vier aus Stahl und Aluminium gefertigte Bildwerke mit dem gleichen Thema angebracht. Wer unter dem Mosaik entlang läuft, gelangt zur einzigen Bochumer Stadtbahnlinie, die das „U“ für Untergrund sogar in ihrem Namen trägt: die U35 CampusLinie.
Insgesamt 22 Stationen umfasst die mit mehr als 90.000 Fahrgästen täglich meistbenutzte Linie der Bochumer Stadtbahn. Sechs Haltestellen liegen auf Herner Stadtgebiet, von den verbleibenden 16 Stationen befinden sich neun unter der Erde. Die heutige „CampusLinie“ und ihre Untergrundstationen haben vor allem für Geschichts- und Architekturliebhaber eine Menge zu bieten. Die Erinnerung an die Bergwerkzeit haben sich dabei gleich mehrere Haltestellen zur Aufgabe gemacht.
Nach einem Gang in die Tiefe lassen sich zahlreiche architektonische Meisterwerke, zum Teil mit Bergbaubezug, entdecken. Beispiel Rensingstraße: Der Bochumer Architekt Reiner Nüsslein schuf hier die Installationen „Verwerfungen“ und „Kristalle“. Auf der Verteilerebene erstreckt sich ein Riss durch die Wände, Decken und den Boden, der eine Bruchstelle im Gestein darstellen soll. Zudem sollen hellblaue Steinzeugplatten Kristalle symbolisieren und schwarze „Adern“ in den Tunnelröhren an Kohleflöze erinnern. Zwei bis drei Minuten Fahrtzeit in Richtung Hustadt springen dem Fahrgast die nächsten historischen Erinnerungen an den Bergbau ins Gesicht: Die Haltestelle ist nicht nur nach der Zeche Vereinigte Constantin der Große – kurz Zeche Constantin – benannt, auch Aufnahmen aus früheren Zeiten zeigen das Bergwerk, das unweit des heutigen U-Bahnhofs über 10.000 Beschäftigten Arbeit gegeben hat.
Noch einmal zwei Stationen weiter ist man am Deutschen Bergbau-Museum angekommen. Hier erinnern zum einen Gegenstände wie eine Seilscheibe und ein Förderkübel an die früheren Zeiten unter Tage, zum anderen sollen die Fliesen der Zugänge und Verteilerebene eine Waschkaue symbolisieren. Das Gewölbe der Fahrebene zeigt in unterschiedlichen Grautönen einen geologischen Längsschnitt. Die BILD-Zeitung nannte die Haltestelle bei ihrer Eröffnung 1989 „Deutschlands schönster U-Bahnhof“. Ebenfalls historisch geht es in der Station Oskar-Hoffmann-Straße zu. Dort, wo auch die Hauptverwaltung des Nahverkehrsbetriebs BOGESTRA liegt, sind alte Aufnahmen von Straßenbahn-Waggons zu bestaunen.
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Im Hier und Jetzt landen Besucher der Station „Rathaus Nord“. Mit Collagen an den Wänden der beiden Gleise wird Bochum als Spiel-, Kultur-, Sport-, Freizeit-, Hochschul- und Naturstadt präsentiert. Außerdem werden auf Infotafeln die Partnerstädte Nordhausen, Sheffield, Oviedo und Donezk vorgestellt. Die lange Rolltreppe am Ausgang zur Kortumstraße führt zum Übergang zur Linie 302/310, der Verbindung nach Gelsenkirchen und Witten, mit der Haltestelle „Rathaus Süd“. Der Übergang zwischen den Stationen versetzt Besucher in eine andere Zeit. Die Passage zieren Reliefs und Skulpturen, die beim Abbruch des Hansa-Hauses 1979 geborgen wurden. Auch Carl Arnold Kortum hat hier seinen Platz. Die Linie selbst ist dann weniger historisch, dafür besonders spektakulär.
Linie 302/310 Spiel mit Farben
Die Haltestelle „Rathaus Süd“ besticht durch ihr Spiel mit dem Licht. An der Faltdecke sind 13 Prismen aus gebrochenem Glas angebracht, die das Tageslicht nach unten transportieren. In der Station selbst greifen beleuchtete Glasplatten das Thema auf. Ein weiteres Highlight: die unterirdische Brücke. Weiter geht es zur Haltestelle „Bochumer Verein/Jahrhunderthalle“. Hier erinnert im Eingangsbereich ein überdimensionales Foto an die stählerne Vergangenheit. In der Station wird das Thema aufgenommen, das überwiegende Material ist Edelstahl. Die Tunnelröhren sind in blaues und rotes Licht getaucht.
Ein beliebtes Fotomotiv ist der mehrfach ausgezeichnete Stadtbahnhof Lohring. Geschwungene Neonröhren ziehen sich hier durch das rund 100 Meter lange und 20 Meter breite Gewölbe und zeichnen die Bewegung der Bahnen und der Menschen nach. Am Ende der Station steht auf dem beleuchteten Glasboden eine markante rote Wand mit einem gelben Kreuz, das auf die oberirdische Kreuzung verweist. Nicht nur für die Augen, auch für die Ohren gibt es am Lohring ein Erlebnis, denn Mikrofone übertragen die Geräusche im Stadtbahnhof zu einem Computer, der sie in umgewandelter Form über Lautsprecher wiedergibt. Die dritte Linie im Bunde ist die 308/318. Auch hier lohnt sich ein Blick „unter Tage“. Bei genauerem Betrachten lässt sich erkennen, dass die Thematiken der jeweiligen Standorte in den U-Bahn-Stationen aufgegriffen werden. Passend zum Planetarium etwa sind die zwölf Sternzeichen, entworfen von Heinz Schröteler, an den Wänden des Tunnels der gleichnamigen Station abgebildet. Zusätzlich befindet sich auf dem Bahnsteig ein Abguss eines in Namibia gefundenen Meteoriten. Hier können Bahnfahrer der Galaxie etwas näherkommen.
Im Bermuda3Eck spiegelt sich in der U-Bahn-Station, die zusätzlich das Musikforum im Namen trägt, die Lebendigkeit des Kneipenviertels wider. Nach einer kurzen Rolltreppenfahrt zu den Bahnsteigen bietet sich über den ganzen Tunnel ein detailreiches Graffiti-Kunstwerk, das die Begriffe Bermudadreieck, Unterwasserwelt und das Beisammensein thematisiert. Es wurde von verschiedenen Künstlergruppen gestaltet und erhält so seinen einzigartigen Charakter, ähnlich wie das Viertel über der Station ihn besitzt. Ein zweiter Blick lohnt sich, über wie unter Tage.
Annika Plackert, Christian Krumm, Felix Kannengießer
Dieser Artikel ist in der BOMA-Ausgabe April 2022 erschienen.
Kunstwerke in Bochum
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