
90 Jahre Tierpark
90 Jahre Tierpark Ein Blick zurück und vorne zum Jubiläum
Vor 90 Jahren herrschte im Stadtpark großes Gedränge, jeder wollte einen Blick auf Bochums neuste Sehenswürdigkeit erhaschen – 1933 feierte der Tierpark seine Eröffnung. Wir nehmen den runden Geburtstag zum Anlass, einen Blick zurück und nach vorne zu werfen.


Der Tierpark der ersten Stunde brachte allerhand Vögel, Rehe, Hirsche, Schafe, Ziegen und Heidschnucken nach Bochum. Dadurch sollte der Bevölkerung ein besserer Zugang zur einheimischen Tierwelt und gleichzeitig ein Naherholungsgebiet geschaffen werden. Das gesamte Areal, das einer großen Parklandschaft glich, war mehr als doppelt so groß wie heute, rund 50.000 Quadratmeter – reichte nach Norden im Stadtpark sogar bis zum großen Teich.
Auf dem Gelände der ehemaligen Stadtgärtnerei entstanden 1937 die ersten drei Gebäude, die Affen, Greifvögel und exotische Tiere beherbergten. Zwei Jahre später kamen die Bärenschlucht und das erste Aquarium dazu. Großtiere wie Bären sowie Leoparden und Tiger, die seit 1984 in einer Großkatzenanlage lebten, gibt es heute in Bochum übrigens nicht mehr. „Die Großtierhaltung wurde im Interesse der Tiere aufgegeben und durch Kleinsäugerarten ersetzt“, erklärt Ralf Slabik, der seit 1987 im Tierpark mitwirkt und seit 2012 Geschäftsführer ist. An Tieren mangelt es aber nicht: Hier sind heute ca. 4.000 Tiere in mehr als 300 Arten zu finden.
1943 wurde der Tierpark im Krieg durch Bomben zerstört und sechs Jahre später wiederaufgebaut, dabei erhielt er seine heutige Größe von rund zwei Hektar. Ende der 80er-Jahre machte der Tierpark mit der Schaffung der Else-Baltz-Zooschule einen wichtigen Schritt bei seinem zoopädagogischen Angebot, was bis heute immer weiter ausgebaut und mehrfach ausgezeichnet wurde. Mehr als 25.000 der 350.000 Besucher nutzen das Bildungsangebot des Tierparks jährlich.
Ebenso wichtig wie der Bau der Zooschule war 1996 die Erweiterung des Aquarienhauses durch das Fossilium, auf das der heutige Name zurückzuführen ist und weswegen der Tierpark mittlerweile auch ein anerkanntes Naturkundemuseum ist. Wenig später wurde das große Riffbecken gebaut, das 170.000 Liter Wasser fasst. Die Nordseewelten mit seinen Seehunden und Pinguinen eröffneten 2006.

Heute hat sich der Tierpark zu einer modernen zoologischen Einrichtung und einem Umwelt-Bildungszentrum entwickelt. Das Ziel lautet zwar immer noch, den Menschen die Tierwelt näherzubringen und für Erholung zu sorgen, aber die Einrichtung ist deutlich breiter aufgestellt als noch vor 90 Jahren. Hier wird sich unter anderem um Forschung, Nachhaltigkeit, Umweltpolitik, soziale Projekte und Artenschutz gekümmert, werden Events angeboten wie Rallyes, Workshops und Dinner in Kooperation mit dem direkt angrenzenden Restaurant Franz Ferdinand. Auch in Sachen Digitalisierung ist der Tierpark auf dem neusten Stand. Zuletzt wurde eine vielsprachige App veröffentlicht. Sie enthält alle wichtigen Infos zum Besuch, interaktive Erlebnisstationen und vermittelt Tierwissen mit unterhaltsamer Note. Außerdem ist sie auf ein inklusives Tierparkerlebnis zugeschnitten.
Auch die Tätigkeiten der bis zu 60 Mitarbeiter zeigen, wie breit der Tierpark aufgestellt ist: Hier gibt es Pädagogen, Zoologen, Tierpfleger, Biologen, Veterinärmediziner, Wissenschaftler, Techniker, die Verwaltung, Servicepersonal und ein Kommunikationsteam. Slabik hält alles zusammen. Unter ihm wurde die Digitalisierung vorangetrieben, aber auch viele der Anlagen erneuert, die Schaufutterküche, ein Bewegungsspielplatz und die Anlage „Dschungel hautnah“ eröffnet, ein Multifunktionsgebäude für die Umweltbildung sowie die Mitarbeiter und ein Zoomobil geschaffen, mit dem Kinder, ältere, kranke und schutzbedürftige Menschen besucht werden.
Für die Zukunft will der Tierpark seine Rolle als Bildungszentrum weiter ausbauen. „Wir wollen die Potentiale nutzen, mit den jungen Menschen in Dialog treten und dabei auch brandaktuelle Themen wie den Klimawandel besprechen“, so Slabik. Auch der Tierpark selbst will sich noch nachhaltiger und energieeffizienter aufstellen, Photovoltaik und Geothermie sind da wichtige Stichworte.
Natürlich sind im Jubiläumsjahr auch Festivitäten geplant, vor allem im Frühjahr und im Sommer. Aber wie das mit Geburtstagsüberraschungen so ist, werden sie jetzt noch nicht ausgepackt. Verraten werden kann aber schon, dass der Zeittunnel, der ursprünglich für „700 Jahre Bochum“ erstellt wurde, in neuem Design als historische Ausstellung eine Rolle spielen wird. In diesem Rahmen hatte der Tierpark dazu aufgerufen, persönliche Erinnerungen einzusenden. Etliche Besucher haben ihre Bilder, Erfahrungen und Geschichten aus dem Tierpark geteilt. Die Einsendungen reichen vom ersten Tierparkbesuch mit nur zehn Monaten bis hin zur Arbeit von ehemaligen Tierpflegern, von der Bärenfütterung bis zur Zooschule. Eine echte Zeitreise. Vorab geben wir in eine dieser Erinnerungen schon mal einen Einblick.
Ulrike Dachselt wohnte damals in der Bergstraße, wo heute das Parkhaus der Augusta Klinik steht. Dachselt war schon Besucherin des Tierparks, als sie noch im Kinderwagen saß. Da der Stadtgarten fußläufig erreichbar war, boten sich regelmäßige Spaziergänge durch den Tierpark an. Eine besondere Erinnerung hat sie an ihren Plüschbären auf Rollen, mit dem sie am Bärengehe auf und ab lief und manchmal sogar von einem Bären verfolgt wurde. „Eine Oase – sonst gab es nicht viel in der Umgebung“, erinnert sie sich.
Der Tierparkbesuch hatte aber noch ganz andere Vorteile: Mit ihrem älteren Bruder Claus lernte Dachselt den Umgang mit den Tieren, wie sie zu füttern sind und erkannte den Wert der Tiere. „Die frühere Zooschule war auch eine Schule des Lebens für mich“, verdeutlicht Dachselt, für die der Tierpark immer noch eine wesentliche Rolle spielt. Die Jahreskartenbesitzerin hat Patenschaften für Keas (Bergpapageien) und Waldrappen (Ibisvögel), welche die am stärksten bedrohte Vogelart weltweit ist. Ihr klares Fazit: „Ich würde jedem einen Tierparkbesuch empfehlen.“
Jule Wichtermann & Felix Kannengießer
Dieser Artikel ist in der BOMA erschienen:
Tierpark Bochum 1933 bis 2023









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